„Wer, wie Brüderle von der FDP, dafür eine Absenkung der Lohnnebenkosten fordere, der stellt eine Forderung an deren Ende die Abschaffung des Sozialstaates steht.“ Das war ein Fazit von Lennard Aldag, Regionssekretär des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) für Nord-Ost-Niedersachsen, in seinem Referat „Alles mehr Netto vom Brutto?!“ in der Veranstaltung der SPD-Arbeitsgemeinschaft 60 plus, am Mittwoch, dem 10.2.2010, im Brau- und Tafelhaus Mälzer in Lüneburg.

Zuvor präsentierte Aldag eine Bilanz für die ersten 100 Tage der schwarz-gelben Bundesregierung. Dabei betrachtete er die Aufgabenfelder Gesundheit, kommunale Daseinsvorsorge, Arbeitsmarkt und Renten. Das aktuelle Geschehen im Gesundheitswesen ist nach seiner Meinung inzwischen geprägt vom Lobbyismus der privaten Krankenversicherungen und der Pharma-Industrie. Die Hauptursache für die schlechte Kassenlage der Kommunen sah er in dem seit mindestens 25 Jahre andauerndem Prozess der Umverteilung von unten nach oben. In den Politikfeldern Arbeitsmarkt und Renten war seine Besorgnis, dass die Bundesregierung erst nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen offenbaren werde, was sie beabsichtige.

Seinem Kurzreferat folgte eine ausführliche Diskussion, an der sich viele beteiligten. Wenngleich alle die Sorge um den Erhalt des Sozialstaates teilten, gingen die Meinungen und Einschätzungen stark auseinander über das, was die SPD in dieser Lage tun müsste. Die SPD sollte, so wurde gesagt, mehr Überzeugungsarbeit leisten, um gegen die immer stärkere Individualisierung in unserer Gesellschaft zu wirken. „Hoffentlich kommt die SPD wieder zu mehr solidarischem Denken“, meinte dazu eine Disputantin. Die Unzumutbarkeitsregelung bei Hartz IV, das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz und die Leiharbeit waren Punkte, bei denen rasche Änderungen für unerlässlich gehalten wurden. Natürlich wurde auch das aktuelle Urteil zu Hartz IV, das Wachstumsbeschleunigungsgesetz, die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn und die Tarifrunde im öffentlichen Dienst besprochen. Einige wünschten sich, dass in der SPD eine Diskussion geführt würde über das, was in den letzten 10 Jahren schief gelaufen ist. Dazu meinten andere, dass die Partei eigentlich ganz Gutes angedacht habe, aber die politischen Gegner das missbraucht hätten: „Wir haben nicht mit diesem unsolidarischen Verhalten gerechnet!“ Völlig konträre Meinungen gab es zum Thema, ob Vollbeschäftigung überhaupt noch möglich sein könnte.

Die Zeit zwang Martin Pustowka, den Vorsitzenden der SPD-Arbeitsgemeinschaft 60 plus in Lüneburg, ein Ende des Disputs für diesen Tag herbeizuführen. Doch damit wird es nicht sein Bewenden haben. Er versprach, „60 plus bleibt an diesen Themen dran.“