Über die Herausforderungen und Möglichkeiten bei der Integration von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund informierte sich die SPD-Arbeitsgemeinschaft 60 plus am Mittwoch, dem 14.4.2010, im Brau- und Tafelhaus Mälzer. Referentin und Gesprächspartnerin war Daniela Tiesing-Neben, Schulleiterin der Anne-Frank-Schule in Kaltenmoor. An dieser Ganztages-Grundschule sind 350 Schülerinnen und Schüler. Davon haben etwa 70 Prozent einen Migrationshintergrund.

Als erstes räumte Daniela Thiesing-Neben mit dem Irrtum auf, dass es sich bei Kindern mit Migrationshintergrund nur um Ausländer handelt. Dazu gehören auch Deutsche, deren Eltern beispielsweise eingewandert sind. Integration strebe die Eingliederung in unsere Gesellschaft, in unsere Kultur, in unser Rechtssystem an. Gerade letzteres dürfe nicht zur Disposition gestellt werden. Integration bedeute Assimilation im Sinne von Angleichung. Diese Angleichung sei durchaus möglich ohne die eigene Identität zu verlieren. Eine Teilnehmerin bedauerte, dass im Zusammenhang mit Integration und Schule von Assimilation gesprochen wird. Sie fände es besser, wenn stattdessen der aus den Sozialwissenschaften stammende Begriff „Akkommodation“, was sich zurechtfindet bedeute, verwandt würde.

„Gelungene Integration sieht man nicht“, sagte Daniele Tiesing-Neben. Es würden meistens die Fälle bekannt, bei denen die Integration nicht gelungen ist. Das Ziel der Schule sei, dass sich letztlich alle als Schülerinnen und Schüler der Anne-Frank-Grundschule fühlen und nicht zum Beispiel als Türken, Spanier oder Russen an der Anne-Frank-Schule. Das Lehrerkolle-gium wolle für alle Kinder gute Start-und Bildungsbedingungen schaffen Aber die Integration an sich müssten die Migranten selbst leisten. Dabei steht an erster Stelle, dass die deutsche Sprache gelernt wird. „Integration ist keine Einbahnstraße“, erklärte sie und schildete, dass von den Kindern und deren Eltern erhebliche Anpassungsleistungen notwendig sind.

Die Anne-Frank-Schule ist eine verpflichtende Ganztages-Grundschule in einem sozialen Brennpunkt. Deshalb erhalte sie vom Land Niedersachsen zusätzliche Ressourcen. Ganztagesunterricht und Förderstunden sind dadurch möglich. Es gibt Arbeitsgemeinschaften, Computerunterricht und Präventionsprogramme. Zwei Sozialpädagoginnen sind an der Schule tätig. Ehrenamtliche Helfer, von denen einige unter den Teilnehmern waren, unterstützen die Lehrkräfte. Nicht unterschätzt werde dürfe auch die gegenseitige Hilfe der Kinder untereinander.

„Als Schule sind wir in erster Linie eine Bildungseinrichtung. Die soziale Spaltung unserer Gesellschaft können wir nicht auflösen“, erklärte Tiesing-Neben. Der Migrationshintergrund wäre nicht die höchste Belastung. Wesentlich bedeutsamer wären Armut, beengte Wohnverhältnisse und vor allem eine fehlende verlässliche Bezugsperson in der Familie. „Kinder brauchen klare Regeln, deren Einhaltung kontrolliert werde. Wir brauchen Kenntnisse über die Lebensbedingungen unserer Schülerinnen und Schüler. Weder schönreden noch wegsehen helfen. Viele Schüler kommen aus stark belasteten Elternhäuser“, räumte die Schulleiterin ein. Sie schilderte positive und negative Beispiele der Konfliktlösungen in Zusammenarbeit mit Jugendamt und anderen Hilfseinrichtungen.

Auf Nachfrage berichtete die Schulleiterin, dass circa 20 Prozent der Schülerinnen und Schüler mit einer Gymnasialempfehlung die Schule verlassen. Aber das allein sei kein Maßstab. Bedauerlich sei, dass unterschiedliche Arten von Fähigkeiten und Kenntnisse nicht gewürdigt werden. Es mache sie wütend, wenn ein Schüler mit einem guten Hauptschulabschluss keinen Ausbildungsplatz finden kann. Sie forderte deswegen ein Umdenken in unserer Gesellschaft.

Bei dieser Veranstaltung gab es eine Besonderheit. Der Vorsitzende der SPD-Arbeitsgemeinschaft 60 plus, Martin Pustowka, begrüßte unter den Teilnehmern einen Vertreter der CDU-Senioren Union. Ob das Thema, die Referentin oder der Wunsch zu erfahren, warum die SPD-Arbeitsgemeinschaft in Lüneburg so erfolgreich ist, das Motiv seines Besuches war, blieb allerdings verborgen. (Siegfried Kubiak)